Mit dem 9. Stadtgespräch feierte das Bürgerforum Cottbus sein nunmehr einjähriges Bestehen.
Der renommierte Althistoriker Prof. Dr. Michael Stahl bedankte sich herzlich bei den Organisatoren und sieht in den Stadtgesprächen im Schillerschen Sinne einen notwendigen Ort der gesellschaftlichen Selbsterziehung und Bildung. Als lutherischer Christ beklagte er, dass die Kirchenoberen die Wucht des Angriffs auf das traditionelle Familienbildes durch die Wokeculture nicht nur nicht abwehren, sondern sich sogar anbiedern würden. Zudem sei die durch die Politik beförderte Genderidiologie unvereinbar mit der auf dem Christentum beruhenden verfassungsmäßigen Ordnung. Er prophezeite den zukünftigen Niedergang der Großkirchen.
Thomas Brunner, Gründer der Werkstattbühne in Kahren, deutete die Weltthematik der Zeit im engen Zusammenhang mit der ungelösten deutschen Frage. Die Deutschen müssten im Sinne des in der Weimarer Klassik entwickelten Menschenbildes ihre Aufgabe darin finden, konsequent für die Befreiung der Wissenschaft, Bildung und Kultur aus staatlicher Vormundschaft und einseitigem wirtschaftlichen Nutzendenken einzutreten. Ohne Liebe zum individuellen Menschen würde es nicht gehen. Er lehnte den Einfluss des Nationalstaates auf die Kindererziehung ab, Bildung solle zunehmend von unten organisiert werden und provozierte mit der These, dass z.B. auch Türken, allerdings auf Grundlage der Trennung von Staat und Religion, selbstverständlich das Recht erhalten müssten, Schulen in türkischer Sprache zu eröffnen.
Nach diesen Referaten entwickelte sich wie immer in guter Atmosphäre ein angeregtes Gespräch, welches u.a. darum kreiste, wie die Jugend wieder ermutigt werden kann Familien zu gründen.
Also wenn das hier ein Bürgerforum sein soll, dann frage ich mich, wo eigentlich der Bürger bleibt. Ich sehe Vortragende, die ihre Weltbilder verbreiten aber wo ist die echte Debatte? Wo ist der Raum für Widerspruch? Wo sind junge Stimmen, wo ist Vielfalt, wo sind kritische Nachfragen? Wenn man über „Familie“ redet, aber nur eine Version davon meint, ist das keine Diskussion, sondern Nostalgie im Sonntagsanzug. Wenn man sich angeblich gegen Ideologie wendet, aber selbst tief in ideologischen Mustern argumentiert, wird’s widersprüchlich. Und mal ehrlich: Ist das hier Aufklärung oder einfach nur Applaus fürs eigene Weltbild? Wenn ihr den Bürger wirklich einbeziehen wollt, dann stellt euch echten Fragen, auch den unbequemen. Nicht jeder, der fragt, will stören. Vielleicht will er einfach nur, dass ihr euch selbst mal spiegelt.
Ach so läuft das also? Ein Forum für Bürger aber nur, wenn sie sich nicht wie echte Bürger verhalten? Mein Kommentar muss erst genehmigt werden, bevor er sichtbar wird? Das sagt schon viel über den „offenen Dialog“ aus, den ihr hier angeblich pflegt. Was genau wollt ihr eigentlich? Zustimmung oder echte Auseinandersetzung? Denn wenn man hier nicht mitredet, heißt es: Schweigen sei Zustimmung. Wenn man sich aber zu Wort meldet, heißt es: Stört den Ablauf, warte bitte draußen. Nur zur Erinnerung: Bürgerforen leben nicht von Wohlfühl-Sätzen und Konsensnachmittagen. Sie leben von Reibung, Gegensätzen und Mut zur Kontroverse. Wer das nicht aushält, will keinen Wandel sondern Kontrolle im neuen Gewand.